Workshop 2: „Vom Konzept zur Produktion“
mit Alina Schulz / Y-Kollektiv
„Keine gestellte Scheiße“. Das ist nur einer von vier Grundsätzen des Y-Kollektivs. Fast 600.000 Abonnent/innen schauen sich die Reportagen der jungen Reporter/innen auf YouTube an. Was sie besonders macht? Ehrlichkeit statt Objektivität, transparente Recherche, Menschlichkeit und „keine gestellte Scheiße“ eben. Was das heißt, hat Y-Kollektiv-Reporter Dennis Leiffels bereits im Panel „Methoden und Formate“ am Vormittag kurz angerissen. Die Bilder dürfen wackeln, die obligatorische TV-journalistische Türklinke, die vor dem Eintreten in einen Raum betätigt werden muss, wird bewusst weggelassen. Reporter/innen dürfen scheitern und Haltung einnehmen.
Was Kolleg/innen bemängeln, schätzt die Community der 24- bis 29-Jährigen. Die Arbeit des Y-Kollektivs gründet sich nicht aus Dilettantismus. Im Gegenteil. Workshop-Leiterin Alina Schulz ist seit 2018 Mitglied des Kollektivs, hat bereits fünf Filme realisiert und kommt – wie so viele – aus dem klassischen TV-Journalismus. Nach der Ausbildung bei der RTL Journalistenschule war sie unter anderem für die tagesaktuelle Nachrichtenberichterstattung bei NTV verantwortlich. Nun macht sie Filme zu Hybristophilie und Analphabetismus. Wie es zu diesen exotischen Filmideen kommt, sollen die Workshopteilnehmer/innen nun selbst erarbeiten. In drei Gruppen wird zu den Bereichen „Aktualität“, „Tabu-Themen“ und „Netz-Phänomenen“ gebrainstormt. 10 Minuten später zeugen volle Flipcharts und ein anerkennendes „Ist gekauft“ von Alina Schulz von Kreativität und Originalität.
Egal ob Bauernproteste, Homosexualität beim Fußball oder der südkoreanische Trend des „Mok-Bang“, wo Menschen vor der Kamera mit der Netzgemeinde essen. Nach der Idee folgt das Konzept. Welche Perspektive auf das Thema nehmen wir auf? Gibt es einen Einblick in einen Mikrokosmos? Wie wird das Thema für die Zielgruppe greifbar gemacht? Was soll im Idealfall erlebt werden? Das sind nur einige Fragen, die sich die Arbeitsgruppen im Folgenden stellen sollen. Durch die weitere Auseinandersetzung mit dem Thema wird schnell klar, ob Reportage-Potenzial vorhanden ist, oder ob es eher einer dieser „Wünsch-dir-was-Filme“ ist, die nur schwer zu realisieren sind.
Selbst wenn Akteur/innen nicht uneingeschränkt begleitbar sind, können andere Wege gegangen werden. Egal ob durch Selbst-Experimente oder einen Perspektivwechsel – Alina Schulz macht Mut: „Wir machen oft Filme, die keine klassischen Reportagen sind. Doch wenn das Thema stark genug ist, kann man diesen Weg gehen.“ Nach den Pitches folgt die Abstimmung des stärksten Themas. Der knappe Gewinner „Mok-Bang“ wird nun in allen drei Gruppen diskutiert von Drehvorbereitung bis Expertenakquirierung. Nach über 90 Minuten Workshop ist klar: Was so handgemacht aussieht, ist Produkt stundenlanger Recherche. Und die eigentliche Arbeit beginnt im Schnitt.
Tipps und Gedanken für Dreh und Produktion:
- Wie könnt ihr authentische Situationen einfangen?
- Wie wollt ihr euch als Reporter/in einbringen und warum?
- Sprecht euren Plan unbedingt mit dem Kameramann ab.
- Habt eure Fakten recherchiert.
- Die eigentliche Arbeit beginnt im Schnitt.
Von Bettina Freund