Rassismus in Deutschland: zuhören & verstehen
Wenn wir über Rassismus sprechen wollen, müssen wir zunächst zuhören, denn: Kann eine weiße Person nachvollziehen, was schwarze Menschen und People of Color tagtäglich an rassistischen Beleidigungen und Übergriffen erleben? Nein. Was weiße Menschen aber tun können, ist zuzuhören, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen und im eigenen Wirkungskreis etwas gegen Diskriminierung zu unternehmen.
Dr. Jule Bönkost (Amerikanistin und Kulturwissenschaftlerin) erklärt weißen Menschen in Workshops, wie sie weniger rassistisch sein können. Dafür musste sie selbst lernen, was es bedeutet, weiß zu sein. In einem Video auf ZEIT Online berichtet sie über den Erkenntnisprozess und dessen Folgen.
Aufklärung im Rahmen von politischer Bildung hilft Diskriminierung im eigenen Verhalten und im Verhalten anderer zu erkennen und anzugehen, denn dieses setzt Empathie und Wissen voraus. Die aktuelle gesellschaftliche Diskussion über Rassismus ist ein wichtiger Faktor und entscheidend für tiefgehende Veränderungen im Zusammenleben. Es gilt, von Rassismus betroffenen Menschen zuzuhören und Alltagsrassismen anzuerkennen, auch wenn es bedeutet, eigene Fehler einzugestehen.
Die amerikanische Initiative Black Lives Matter ist in Deutschland angekommen. Die Themenpräsenz der systemischen Diskriminierung schwarzer Menschen und People of Color hat sich verstärkt. In Deutschland wird in vielen Formaten darüber diskutiert, auch über rassistische Strukturen in der deutschen Polizei beispielsweise in Form von Racial Profiling.
In Diskussionsrunden on- und offline wird immer wieder betont, dass die USA und Deutschland bezüglich der Diskriminierung von Schwarzen und People of Color nicht vergleichbar sind. Als ob dies im Umkehrschluss bedeuten würde, dass es in Deutschland keine lange Historie von Rassismus geben würde. Schwarze Menschen und People of Color sind seit Jahrhunderten in Deutschland ansässig und auch Deutschland hat eine Kolonialgeschichte.
Die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet in ihrem Dossier „Afrikanische Diaspora in Deutschland“ über die koloniale Vergangenheit.
Die Deutsche Welle greift das Themengebiet Rassismus und Diskriminierung in Deutschland regelmäßig auf und bietet unter anderem in ihrem YouTube-Kanal Diskussionen und Informationen hierzu. Im Rahmen des Talkshow-Formats „Auf den Punkt“ geht es im Juni 2020 unter dem Titel „Rassismus überwinden: Nur ein Traum?“ um Fragen wie: Welche Möglichkeiten des Widerstands gegen Rassismus nutzen die anwesenden Gesprächsgäste? Gibt es strukturellen Rassismus in der Polizei in den USA und in Europa? Sind Änderungen in der Erinnerungskultur und in der Geschichtsbetrachtung und deren Vermittlung international und in Deutschland notwendig? Die Diskussionsrunde endet mit der Bitte um kurze Einschätzungen der Titelfrage der Talkshow, die sehr unterschiedlich ausfallen: von ja, wir schaffen das über die Debatte hat erst angefangen bis vielleicht in ein paar hundert Jahren.
Im Youtube-Kanal der Deutschen Welle finden sich einige Videos zum Thema Rassismus, unter anderem die folgenden Beiträge:
Rassismus in Deutschland | Fokus Europa (August 2020)
Afro.Deutschland | DW Deutsch (März 2017)
Kein Ausländer – und doch ein Fremder: Alltagsrassismus in Deutschland | DW Deutsch (Februar 2020)
Viele Medien geben dem Thema Raum und Aufmerksamkeit. So berichtete das Format MONITOR der ARD sowohl über Racial Profiling als auch über die Initiative Black Lives Matter in Deutschland. Die Redaktion von ze.tt veröffentlichte ein umfangreiches Dossier unter dem Titel „Black Lives Matter“ und lässt in den darin gebündelten Beiträgen Fachleute und Betroffene zu Wort kommen. Das Portal Globales Leben veröffentlichte im Mai 2020 einen Fokus zum Thema „Rassismus“ und hat darin Bildungsmaterialien, Filme, Kampagnen sowie Hinweise auf Weiterbildungen und Hintergrundinformationen zusammengestellt.
Das Online-Magazin Edition F veröffentlichte im Juni 2020 einen Beitrag unter dem Titel „Dear White People: Diese Accounts von Schwarzen Frauen solltet ihr abonnieren„. Im Beitrag wurden beispielhafte Social-Media-Kanäle von Schwarzen Frauen vorgestellt, die als Expertinnen und gleichzeitig Betroffene Aufklärungs- und Bildungsarbeit leisten.
„Mein Ziel ist es, dass die Leute nicht mit Scham oder Schuld aus unseren Antirassismus Workshops herausgehen, sondern mit einem Gefühl der Verantwortung. Wir alle können nichts für die Welt, in die wir hineingeboren wurden. Aber jede und jeder kann Verantwortung übernehmen und diese Welt mit gestalten.“
Tupoka Ogette
Im Team führen Tupoka Ogette und Stephen Lawson Workshops, Coachings und Vorträge zum Thema Rassismus durch. Sowohl Einzelpersonen als auch Institutionen können sich on- und offline weiterbilden. Gemeinsam wird gelernt, wie man rassismuskritisch denkt und spricht. Auch können Keynotes für Veranstaltungen zum Thema Rassismus gebucht werden. Zudem erstellen sie Podcasts unter dem Titel TUPODCAST – Gespräche mit Schwarzen Frauen über Widerstand und Heilung, Trauer und Hoffnung und über Rassismus und Empowerment.
Häufig angefragt und präsent in der aktuellen Diskussion ist auch Alice Hasters. Sie ist Journalistin und Autorin und hat kürzlich das Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ veröffentlicht. Auf der diesjährigen TINCON war sie bei der Diskussionsrunde „Repräsentation im Journalismus“ dabei. Unter der Leitung von Malcolm Ohanwe sprach sie über ihre Erfahrungen im Journalismus mit Rassismus und Repräsentanz gemeinsam mit Aimen Abdulaziz-Said und Anna Dushime. Regelmäßig produziert Alice Hasters mit ihrer Freundin Maxi Häcke den Podcast „Feuer und Brot„.
Ein Gespräch über das Buch, den Hintergrund, die Inhalte fand beim Format #RaumfürNotizen (ALEX Berlin) statt.
Feuer und Brot / Podcast-Folgen:
#51: “Magical Negro” im Film – Romantisierte Unterdrückung
#45 White Saviorism – Warum gut gemeint oft nicht hilfreich ist
Die Autorin und Redakteurin Fabienne Sand schreibt als Freie für ze.tt und ZEIT Campus Online über ihre Erfahrungen als afro-diasporische Frau in Deutschland. Auf Instagram erklärt sie Begriffe wie bspw. White Fragility, Blackfacing und Kulturelle Aneignung. Im Mai letzten Jahres erschien ein Interview mit ihr über ihre Erfahrungen als afro-diasporische Frau in Deutschland im RosaMag – einem Online-Lifestylemagazin, das es sich zum Ziel gesetzt hat, Schwarze Frauen zu informieren, zu inspirieren und zu ermutigen. Die Beiträge sind thematisch vielfältig und greifen immer wieder das Thema Rassismus und Diskriminierung auf. Gründerin ist Ciani Sophia Hoeder – übrigens unter anderen Gesprächsteilnehmerin im oben genannten MONITOR-Beitrag „Black Lives Matter: Polizeigewalt und Rassismus in Deutschland“.
Die aktuelle Diskussion ist wichtig und längst überfällig. Es bleibt zu hoffen, dass sie ihre Dynamik und Präsenz erhält. Die Verantwortung für die Weiterführung der Gespräche und insbesondere für gesellschaftliche und politische Veränderungen liegt dabei nicht bei den von Rassismus betroffenen Menschen, sondern bei denen, die zuhören und verstehen müssen, was Rassismus bedeutet und welche Folgen dieser hat.