Fishbowl-Runde: „Braucht Freiheit Grenzen?“
Die Fishbowl-Runde „Braucht Freiheit Grenzen?“ mit:
• Marc Hippler | Rheinische Post Online
• Jenna Zita Günneweg | WDR.de
• Birgit Kimmel | klicksafe
• Prof. Dr. Christian Schicha | Mediadesign Hochschule
Der Moderator Daniel Fiene eröffnet das zweite Panel mit einem kleinen Spiel: Alle Gäste sind aufgefordert, sich hinzustellen. Daniel Fiene stellt nun Fragen an das Publikum und bittet darum, sich dann hinzusetzen, wenn man seine jeweilige Frage mit nein beantworten würde. So möchte er ein erstes Meinungsbild visualisieren.
Daniel Fiene begrüßt die Teilnehmer des zweiten Panels und stellt sie kurz vor.
Seine erste Frage richtet sich an Christian Schicha: „Braucht die Freiheit Grenzen?“ Schicha bejaht dies. Für ihn ist es ist wichtig, Normen zu entwickeln, die ein sozialverträgliches Miteinander ermöglichen; dies gilt in der Face to Face-Kommunikation, aber natürlich auch im Internet. Man ist meistens in einem Dilemma, einem Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht. Die Ethik wird gebraucht, wenn die Freiheitsrechte missbraucht werden.
Fiene fragt nach, wer denn diejenigen sind, die die Freiheitsrechte missbrauchen. Laut Schicha gibt es unterschiedliche Interessen von allen Seiten und Akteuren. Diese Interessen müssen zunächst transparent gemacht werden, auch, welcher Akteur welche Interessen hat. Dies ist auch die Aufgabe der Ethik. Es ist positiv, wenn Menschen sich artikulieren, aber den Akteuren fehlt oft die nötige Sensibilität.
Für Fiene sind Anspruch und Wirklichkeit oft sehr unterschiedlich. Seine Frage geht an Jenna Günnewig, nämlich wie die Kommentarkultur zum Beispiel bei WDR.de ist. Für Günnewig muss man bei den Kommentaren differenzieren. Sie beschreibt, dass man bei den meisten Themen schon vorher sagen kann, in welche Richtung die Diskussion geht, und dass – je nach Thema – die Diskussion „auseinanderfliegt“. Bei bestimmten Themen wie Gewaltverbrechen wird grundsätzlich keine Kommentarfunktion mehr freigeschaltet. Auf Fienes Frage nach Bereichen, bei denen der Nutzwert durch die Aktivität der Nutzer sehr hoch ist, nennt Günnewig als Beispiel lokale Bereiche, bei denen die Nutzer sehr aktiv sind und damit der Nutzwert für den WDR recht hoch. Marc Hippler / RP kann dies bestätigen. Er hätte gerne ein System, das die guten Kommentare nach oben schiebt. Günnewig erklärt, dass bei ihnen die Autoren dazu gehalten sind, sich aktiv an der Diskussion zu beteiligen, so dass eine anständige Diskussion geführt werden kann. „Entweder wir schalten die Kommentarfunktion aus oder stellen uns zur Diskussion.“
Fiene nennt die Verknappung der Kommentarkultur wie beispielsweise bei Süddeutsche.de eine Art von Katzentisch des Internet. Für Günnewig geht es hier nicht um Verknappung oder Beschränkung, sondern um eine qualitative Debatte. Sie sind an Qualität und am Dialog interessiert und nicht an Quantität. Es geht darum, die Kommentare zu nutzen und auch in die Artikel einzubinden. Es wäre auch besser, wenn die Kommentare direkt in den zu kommentierenden Absatz miteinbezogen würden und nicht unter dem Artikel stehen wie bisher.
Hippler glaubt, dass eine Lenkung notwendig ist. Zu manchen Themen wie beispielsweise Gewaltverbrechen wird – wie bei WDR.de – keine Kommentarfunktion mehr freigeschaltet, aber generell wäre das Verzichten auf Kommentare ein Verlust. Für ihn ist das Signal „Wir bestimmen jetzt was Ihr diskutiert“ eigentlich ein Rückschritt. Er möchte ungern den Lesern „die Schranke vor den Kopf knallen“.
Schicha merkt hierzu an, dass für ihn die Aufgabe des Journalismus die Einordnung ist. Das gilt auch für die Kommentare. Es ist die Aufgabe der Journalisten, die Kommentare nach Relevanz auszuwählen und die Kontrolle darüber zu haben, was in den Diskussionsforen veröffentlicht wird.
Die Frage an Birgit Kimmel, wo man Grenzen ziehen muss zwischen Freiheit und Kontrolle, beantwortet Kimmel mit dem Hinweis auf die Verantwortung des Einzelnen. Für sie haben Onlinemedien den Raum, in dem Konflikte ausgetragen werden, erweitert. Man muss sich immer auch mit Wertefragen auseinandersetzen und damit, wie man Jugendlichen einen Sinn dafür vermitteln kann. „Wie kann man Jugendliche zu einem werteorientierten Handeln anleiten?“ ist hierbei eine zentrale Fragestellung. Sie glaubt, dass sie einen guten Weg dafür gefunden haben, nämlich indem man die Jugendlichen zunächst für bestimmte Themen sensibilisiert, um dann in die Analysephase mit ihnen einzusteigen. Drei große Themen sind dabei im Blick: Männer- und Frauenbilder sowie verletzendes Onlineverhalten sind zwei davon. Fiene wirft an dieser Stelle die Frage auf, wo Kimmel die Anbieter in der Verantwortung sieht. Für Kimmel ist die Verantwortung geteilt und liegt sowohl beim Anbieter als auch beim Nutzer. Die Anbieter müssen sich die Frage stellen, wo sie ihre eigenen Werte haben, und entsprechend handeln. Günnewig hält es für wichtig, eine Haltung auch abseits von strafrechtlich relevanten Dingen zu haben: „Nicht nur die justiziablen Sachen löschen, sondern auch die grenzwertigen“.
Aus dem Publikum wird das Fishbowl-Format für eine Frage ans Panel genutzt: Wie wird mit Zensurvorwürfen umgegangen? Hippler merkt an, dass es diesen Vorwurf sehr oft gibt, aber gerade deshalb ist es wichtig, eine Netiquette zu haben, um auf diese verweisen zu können.
Fiene liest eine Twitterfrage vor: Sehen die Macher die Kommentare als Bereicherung oder einfach als Klickbonus? Günnewig sieht die Kommentare als echte Bereicherung, als echten Dialog, der damit zustandekommt und etwas, was durchaus auch genutzt werden kann.
Eine weitere Twitterfrage zu den ersten Ausführungen von Schicha: Gegenthese – Shitstorms sind eigentlich die Wiederherstellung von Öffentlichkeit
Schicha entgegnet darauf, dass es hier auch um strafrechtlich relevante Dinge geht: Wenn Grenzen überschritten werden, dann muss man entsprechend einschreiten. Es kommt auf den Grad der Schädigung an. Er plädiert dafür, Rücksicht zu nehmen, denn es gibt dramatische Fälle, die sogar zum Selbstmord geführt haben. Für ihn gilt: Wenn es berechtigte Kritik gibt, kann man die artikulieren, aber sie muss gut begründet sein. „Ich habe nichts dagegen, Öffentlichkeit herzustellen und Missstände anzuprangern.“
Fiene merkt an, dass der Begriff Shitstorm sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Für Kimmel müssen auch hier Jugendliche sensibilisiert werden: Wann wird die Würde eines anderen verletzt? Wie können wir hier handeln?
Ein Statement aus dem Publikum: Die Kommentarfunktion kann auch als Säule unseres demokratischen Handelns betrachtet werden.
Kimmel beschreibt als Anmerkung dazu, wie sie versuchen, Jugendlichen genau dies zu vermitteln.
Auf die Frage, wie erreichbar Jugendliche für diese Thematik sind, antwortet sie, dass nach ihrer Erfahrung Jugendliche sehr sensibel sind für diese Themen. Wenn man ihnen Impulse gibt, haben sie auch viele spannende Ideen. Es ist ein langfristiger Prozess, den sie gemeinsam gehen und dabei im Dialog bleiben.
Für Schicha könnte man sogar auf philosophische Konzepte zur gerechten Gesellschaft zurückgreifen. Im Grunde genommen muss auf einer Metaebene problematisiert werden. Dazu gibt es verschiedene Formate wie Zapp und Bildblog. Hippler merkt dazu an, dass es Kollegen gibt, die mit der klassischen Gatekeeper-Funktion aufgewachsen sind.
Zum Abschluss der Diskussion stellt Fiene noch einmal die Frage, welche Grenzen Freiheit braucht.
Schicha: „Sensibilisieren und Reflektieren. Nicht nur den Finger auf andere richten. Das zu hinterfragen, was man seit vielen Jahren schon macht.“
Kimmel: „Ich würde mir wünschen, dass wir gerade auch noch mal Kinder und Jugendliche in den Blick nehmen.“
Günnewig: „Wir sollten weiterhin versuchen, mit einer Haltung zu moderieren und erklären, warum man einen Beitrag löscht.“
Hippler: „Einfach noch mal durchatmen, bevor man auf Senden klickt.“