Panel: „Jeder. Alles. Immer. Überall.“

Veröffentlicht von as am

Der Moderator Dennis Horn begrüßt alle Teilnehmer/innen und bittet die Panel-Teilnehmer/innen auf die Bühne. Nun soll es um den Themenbereich praktische Umsetzung/Erfahrung gehen. Wichtig ist hier, dass das Panel die Möglichkeit der Fish-Bowl-Diskussion bietet, das heißt, dass Interessenten aus dem Publikum sich auf einen freien Stuhl auf der Bühne setzen können, um Fragen zu stellen bzw. Statements abzugeben.

SCD-2015_jf-77Auf der Bühne sitzen nun:
•    Oliver Hinz, Head of Social Media Sportschau
•    Philipp Ostrop, Leiter Digitale Inhalte Ruhr Nachrichten
•    Jonas Wixforth, Redakteur WDR #3sechzich
•    Nadia Zaboura, Politik- und Kommunikationsberaterin

Die Gesprächsrunde eröffnet Dennis Horn mit der Frage „Welche Rolle spielt Instant Publishing bei Euch?“ an Philipp Ostrop.

Philipp Ostrop: Instant Publishing spielt eine sehr große Rolle. Es ist gut für Nutzer/innen, aber auch für die Redaktion. Konkurrenz entsteht dabei bei lokalen Inhalten, da lokale Blogger bei Zeit und Inhalt häufig die Nase vorn haben. Trotzdem überwiegt auch hier die Bereicherung.

SCD-2015_fs-78Wenn aber alles immer verfügbar ist und jeder mitwirken kann, wo findet man dann das journalistische Element, wie werden journalistische Grundprinzipien gewahrt? Wie erfolgt eine Qualitätssicherung?

Philipp Ostrop: Die Qualitätssicherung erfolgt klassisch über den Austausch in Redaktionssitzungen mit den Kolleginnen und Kollegen.


Gibt es die klassische Gatekeeper-Funktion noch?

Philipp Ostrop: Das Publikum begutachtet Inhalte kritisch. Im Print-Bereich gibt es die Gatekeeper-Funktion weiterhin. In anderen Bereichen scheint dies vorbei zu sein, da der zeitliche Vorsprung nicht mehr gegeben ist.

Wie blickt der WDR auf die Gatekeeper-Funktion?

Jonas Wixforth: Die klassische Gatekeeper-Funktion scheint vorbei.

Nadia Zaboura: Im investigativen Journalismus sieht dies anders aus. Hier handelt es sich um einen Ausnahmefall, da aufwendig aufbereitete Geschichten nur von Journalisten erarbeitet werden können. Bedenklich ist dabei, dass es gerade in diesem Bereich zu massiven Streichungen kam.

Oliver Hinz: Die alte Funktion von Journalisten, Informationen zu kuratieren, besteht weiterhin, denn auch im Social-Media Bereich wird gefiltert und ausgesucht veröffentlicht.

Wie müssen wir uns weiter entwickeln?

SCD-2015_fs-105Oliver Hinz: Die Redaktionen müssen Entwicklungen mitkriegen und sich damit auseinandersetzen. Das Ausprobieren ist hier wichtig! Wie schaffen wir es bspw. alles über Borussia Dortmund mitzubekommen. Agenturen bleiben wichtig, aber auch Social Media sind interessant, da sie schneller sind als die klassischen Medien.
In der Redaktion gab es ein Projekt mit Studenten zur Frage: Können wir nicht einfach mal ausschließlich unsere Informationen zum Fußball aus den Sozialen Medien ziehen? Sprich, zurückgreifen auf Sport-Blogger, Accounts von Profisportlern, Fanseiten etc. Herausgekommen ist interessanterweise, dass es sehr viel Interessantes insbesondere im Bereich des Fußballs gibt. Der Zeitvorsprung ist deutlich und die Informationen sind bunter als die der Agenturen. Wie verlässlich diese hingegen sind, ist eine wichtige Frage. Twittern hier wirklich Fußballer, oder hat dies bereits eine Agentur übernommen?

Fishbowl-Frage:
Ist es nicht eher ein langwieriger Prozess, um Informationen in ihrem Wahrheitsgehalt bewerten zu können?

Jonas Wixforth: Am Beispiel des Attentats auf Frau Reker bei einer Wahlveranstaltung in Köln wurde deutlich, dass neue Akteure auftauchen, die sich in den Nachrichtenpool mischen. Hier ist wichtig, dass die Redaktionen ausführlich recherchieren und Inhalte verifizieren. Dann können die Redaktionen davon profitieren.

Wie wird die Gefahr der Gerüchteküche eingeschätzt?

SCD-2015_fs-97Nadia Zaboura: Der Citizen-Journalismus ist gut. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist hier wichtig. Die Frage ist, gibt es Möglichkeiten an in sich geschlossenen Themengruppen teilzunehmen im sozialen Netzwerk? Eigene Informationssammelvorgänge müssen überdacht werden. Sie sprach außerdem von der Entwicklung, dass neben die eine „Große“ Öffentlichkeit „kleine“ Teil-Öffentlichkeiten treten; dies müsse nicht schlecht sein, man solle jedoch daran arbeiten, dass die eine große (gemeinsame) Öffentlichkeit nicht unsichtbar wird.

Gibt es ein Problem hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von klassischem Journalismus?

Philipp Ostrop: Aufgabe des Journalismus ist es auch, Gerüchte aufzugreifen und mithilfe ausreichender Recherche richtig zu stellen.

Jonas Wixforth: Es wird immer schwieriger zu erklären, was wirklich war. Das Beispiel des Themas Flüchtlinge zeigt, wie schwer es ist, mit journalistischen Argumenten einzugreifen. Mittlerweile scheint es so, dass es bei diesem Thema zwei gesellschaftliche Lager mit verschiedene Sichtweisen gibt, zwischen denen Verständigung immer schwieriger wird. Man bewegt sich in sehr homogenen Informationskreisen. Das ist nicht ungefährlich. Er greift das Beispiel von Staatssekretär Eumann auf, der in seiner Rede auf das Verschwinden der „Swing Constituencies“ verwies, das Wechselwahlverhalten in den USA. Diese stetig wechselnde Entscheidung in der Wahl von Demokraten und Republikanern nehme seit einiger Zeit erheblich ab – man bleibt in seinem „Lager“. Ähnliches, so Wixforth, gelte auch für gesellschaftliche Themen wie eben etwa der Flüchtlingsdiskussion.

Wie können wir dieser Entwicklung entgegensteuern?

SCD-2015_jf-41Nadia Zaboura: Hier ist die Diskursbereitschaft der Redaktionen wichtig. Sie sagt, Diskursbereitschaft muss bereits früher  – im Bildungsprozess – vermittelt werden. Hierzu zählt insbesondere die Förderung von Medienkompetenz. Sie plädiert für ein Schulfach „Erkenntnistheorie“.

Oliver Hinz: Die Redaktionen können es sich nicht leisten, Social Media auszublenden. Diese gehen genauso wenig wieder weg, wie das Internet an sich. Es geht viel mehr um die Nutzung von Chancen. 1Live ist hier ein gutes Beispiel, wo die Moderator(inn)en parallel zu den eigenen Sendungen das User-Feedback checken. Zuhören ist wichtig, die Teilhabe bewirkt Veränderung. Die Redaktionen müssen ihre Schwerpunkte neu setzen und neue Entwicklungen ernst nehmen. Dann kann auch wieder eine Gatekeeper-Funktion aufgenommen werden.

Nadia Zaboura: Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit, mehr „Rede und Gegenrede!“ Es muss viel mehr hingehört werden auf Dialoge, die zu verschiedenen Themen geführt werden. Das neue Buch von Armin Nassehi ist hier ein gutes Beispiel. Im Anhang des Buchs findet sich eine ausführliche Darstellung eines Dialogs, welchen er mit einem anders denkenden Menschen geführt hat.

Oliver Hinz: Der Zugriff auf Dialoge ist manchmal schwierig.

Momentan scheint es eher einen Schritt zurückzugehen: Es gibt die Entwicklung, dass Kommentarspalten geschlossen werden. Wie passt das zusammen?

Jonas Wixforth: Um den Diskurs aufzunehmen, muss man personell entsprechend aufgestellt sein. Dies hat in vielen Häusern jedoch noch nicht den Stellenwert.

Wie sieht der Stellenwert der Teilhabe an Social Media für öffentlich-rechtliche Sender aus?

Fishbowl: Die Vorbildfunktion ist gut. Aber können die öffentlich-rechtlichen Sender diese überhaut einnehmen?

SCD-2015_gj_0084Jonas Wixforth: Die Selbstreinigungsfunktion von Communities ist hier wichtig. Dies ist ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Community. Die öffentlich-rechtlichen Häuser haben dabei eine besondere Verantwortung, aber Verantwortung zu übernehmen gilt auch für alle anderen. Hier müssen Ressourcen verschoben werden, und es müssen Prioritäten gesetzt werden.

Nadia Zaboura: Gibt es beim WDR eine strategische Abteilung bezüglich neuer Märkte? Warum passiert alles so spät?

Jonas Wixforth: Ja, die gibt es, aber diese müsste verstärkt werden.

Nadia Zaboura: Das Ausprobieren ist wichtig, wie zum Beispiel im Labor Anwendungen zu testen.

Oliver Hinz: Eigentlich ist das Problem noch viel schlimmer. Nicht nur die Ressourcen sind wichtig. Zudem läuft die Zeit weg – und laufen auch die Nutzer/innen weg.

Nadia Zaboura: Es ist die Pflicht der öffentlich-rechtlichen Sender. Da muss mehr passieren, Snapchat ist hier ein gutes Beispiel. Man braucht eine starke technische Abteilung, die verzahnt sein muss mit inhaltlicher Arbeit.

Jonas Wixforth: Jedoch darf man bei dem Gebrauch von sozialen Anwendungen nicht vergessen, dass es Bedenken gibt, Global Player mit dem Geld der öffentlich-rechtlichen Sender quer zu finanzieren.

Welches sind die Tools, die wir in jedem Fall nutzen sollten?

SCD-2015_jf-62Oliver Hinz: Snapchat zählt dazu, wenn auch rechtliche Fragen beachtet werden müssen. Whatsapp ist spannend, wenn auch technische Hürden bestehen. Insgesamt stellt die Wahrung des Datenschutzes ein großes Problem dar.

Jonas Wixforth: Es gab ein Experiment beim WDR mit Whatsapp zu einer Sendungsgestaltung. Die technischen Hürden sind jedoch zu hoch gewesen.

Nadia Zaboura: Klassische Medien von großen Redaktionen sind weiterhin Massenmedien. Bei Spezialthemen sieht es natürlich anders aus. Bedenklich ist die Tendenz, die jüngere Zielgruppe zu verlieren. Diese stellt bei den öffentlich-rechtlichen Sendern nur einen Bruchteil der Empfänger. Die Bewegung geht hin zur Erreichung von Teilmengen.

Der Moderator dankt für die schöne Runde. Zum Abschluss des Panels gibt einen Ausblick auf die nun folgenden zwei Workshop-Runden.

Autorinnen: Stanislava Gaydazhieva, Sandra Gaviria Vera, Julia Wilms


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