Workshop 4: „Mitmachen gefragt!“

Veröffentlicht von jr am

scd-2012_0464Jürgen Ertelt, der für den IJAB e.V. u. a. das Projekt youthpart durchführt und Eva Panek von Liquid Democracy e.V. zeigen Rahmenbedingungen für gelungene E-Partizipation auf und stellen Beispielprojekte vor.

Wie kann man sich online beteiligen?

Die Beteiligung über soziale Medien passiert schon, aber verstreut und nicht immer wirkungsvoll. Viel genannt: der shitstorm – vor dem die meisten Angst haben. Den Initiatoren muss stets bewusst sein: Wenn man eine Möglichkeit zur Partizipation anbietet, kann man nicht einfach Stopp sagen und die Spielregeln ändern, man gibt bis zu einem gewissen Grad die Kontrolle ab. Dieses Problem hatten schon die Deutsche Bahn, Pril oder die Stadt Schwäbisch Gmünd – die jetzt einen Bud-Spencer-Tunnel hat.

„Man darf nicht mehr versprechen, als man dann auch halten kann. Und das muss man auch aushalten können“, macht Jürgen Ertelt deutlich.

Stufen der E-Partizipation reichen von Befragungen über Konsultationen, tatsächliche Einbeziehung bis hin zur selbständigen Entscheidung. Bei den im Folgenden vorgestellten Projekten geht es darum, eine permanente Struktur für Beteiligung anzubieten, und nicht nur verstreut auf sozialen Netzwerken.

Bedingungen für gute Partizipation

Schlechte Partizipation instrumentalisiert und setzt einzelne Stimmen dominant, anstatt die Meinung einer Gruppe abzubilden. Es muss erklärt werden, um welche Art von Beteiligung es sich handelt. Transparent sein muss, wer dahinter steckt und was mit den Ergebnissen passiert: z. B. die Eingabe in das Parlament oder den Gemeinderat. Gerade die Dokumentation des Beteiligungsprozesses ist online sehr gut möglich. Außerdem muss das Angebot variabel sein, also nicht zeit- oder ortsgebunden.

Es muss eine Grundlage zur Meinungsbildung gegeben werden. Das kann Open Data sein, aber wichtig ist jegliche aktiv bereit gestellte Information, die dem Bürger zur Meinungsbildung dient – ohne einseitige Färbung.

scd-2012_0445Die Bedingungen für gelungene Partizipationsprozesse sind deshalb Transparenz, Information und Visualisierung oder Verortung, z. B. durch Einbettung in kommunale Zusammenhänge.

Eine Struktur zur Information von Jugendlichen ist so nicht vorhanden. Das ist heruntergefahren worden mit Blick auf Facebook und Google, aber die Versorgung mit Informationen zur politischen Meinungsbildung darüber ist nicht gegeben. „Hier versagt auch der klassische Journalismus“, so Ertelt.

Kostengünstig sind Online-Beteilungsverfahren nur bedingt. Denn auch außerhalb des Netzes müssen Ressourcen zur Verfügung stehen. Es zählt nicht nur die Software-Lösung.

Wie gute Partizipation funktioniert, müssen wir aber alle noch lernen, macht Jürgen Ertelt deutlich. In Deutschland mangelt es auch an Beteiligungskultur, weshalb Ertelt für mehr Risiko plädiert – frei nach dem Motto „Wir machen das mal.“

Beispiele für E-Partizipation

Die Beteiligungsplattform youthpart basiert auf der Software „Adhocracy“. Eva Panek stellt Beispiele vor, wie Partizipationsprojekte mit der Software „Adhocracy“ umgesetzt wurden. Entwickelt hat die Software der Liquid Democracy e.V., der in Berlin ansässig ist. Sein Ziel: Die demokratische Beteiligung mit Informations- und Kommunikationstechnologien zu modernisieren. In der Folge stellt Panek zwei Plattformen vor, die auf der Adhocracy-Plattform basieren:

Beispiel offenekommune.de (2012)

Die Idee: Eine Plattform, die nach eigener Aussage „Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene“ ermöglicht und folglich für alle Kommunen nutzbar und für alle Akteure offen ist.

Dort können z. B. Vorschläge für Initiativen eingebracht werden, die auch sofort bewertet und kommentiert werden können. Damit kann sofort die Diskussion starten und Themen gelangen schnell auf die Agenda.

Um eine Übertragung auf die Entscheiderebenen zu gewährleisten, arbeitet die Plattform zudem mit sogenannten „Adressatenrunden“. Die Funktion der Adressatenrunden richtet sich z. B. an Stadtratsmitglieder. Ein Experte übernimmt die Adressatenrolle, z. B. für das Thema Schule, und bekommt alle Vorschläge zu diesem Thema zugewiesen. Der Adressat kann dann Termine setzen, die konkrete Informations- oder Mitbestimmungsprozesse in Gang setzen.

Ypart.eu

Ypart.eu ist speziell an junge Nutzer gerichtet. Im April startet die Plattform offiziell. Im Moment läuft darüber z. B. ein Projekt in Hamburg mit dem Titel „Jugend!Macht!Schule!“, das Ideen zur Gestaltung einer Brachfläche sammeln soll. Auch diese Plattform basiert auf „Adhocracy“. Wichtig ist hier v. a. die Kartenfunktionalität, die Vorschläge verortet. Im Unterschied zu offenekommune.de gibt es eine Beschlussfunktion. Dort können die Jugendlichen Beschlusstexte formulieren, diskutieren und kommentieren.

Dadurch, dass Elemente verändert oder zugeschaltet werden können, kann der Prozess auch während des Projekts noch angepasst werden.

Diskussion

Im Publikum kommt schnell die Frage auf, wie viele Leute E-Partizipation tatsächlich nutzen. Die beiden Beispiele sind erst vor kurzem oder noch gar nicht gestartet. Aber auch mit wenigen Nutzern sind die Projekte sinnvoll, denn so können die Plattformen noch verbessert werden. Und: Auch offline sind nicht automatisch alle beteiligt: Z. B. schließen fixe Termine und Öffnungszeiten Personen aus.

scd-2012_0450Ein ständiger Konflikt liegt zwischen der Jugendarbeit und der Verwaltung, die sich gegen die Umsetzung stellt. Deswegen ist wichtig, dass hinter den Projekten auch immer ein Beschluss der Verwaltung steht, der deutlich macht, dass die Beteiligung gewollt ist.

Kartenmaterial bringt Probleme mit der Barrierefreiheit mit sich. Bisher wird dies textlich umgesetzt. Bisher wurde Adhocracy noch nicht in Schulen genutzt, kann aber auch dort eingesetzt werden. Der Liquid Democracy e.V. zensiert die Inhalte nicht, greift aber bei strafrechtlich relevanten Inhalten ein. Alle Nutzer können zu allem Stellung nehmen. Damit natürlich auch Bürger, die nicht aus der jeweiligen Region stammen. Bisher ergaben sich dadurch keine Probleme.

 

Von Cathrin Bengesser und Maria Roca Lizarazu


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