Julia Christophers zu Sozialen Netzwerken
Julia Christophers, Vice Director Community Management der Electronic Sports League (Turtle Entertainment GmbH), zu sozialen Netzwerken
Auf dem Social Community Day 2013 im KOMED wurde natürlich viel über facebook geredet oder es wurden andere Social Communities am blauen Mega-Network gemessen.
Doch was gab es vor der Gründung von facebook im Netz? Hat Mark Zuckerberg das Rad neu erfunden, oder gab es die meisten Funktionen schon lange vorher?
Als facebook aufkam, haben mich die einzelnen Features nicht überrascht. Ich bin Sprecherin einer der größten Communities für Gamer – und Gamer gehören schon von Natur aus zu den Menschen, die gar nicht anders konnten, als sich im Netz sozial zu connecten.
Turtle Entertainment rief vor 13 Jahren die ESL ins Leben, mittlerweile eine der größten Computerspieleligen für kompetitives Computerspielen. Sogenannte Clans von Spielern, die gemeinsam bestimmte Spiele spielten und neue Spieltaktiken austüftelten, hatten für gewöhnlich eigene Webseiten mit Foren, in denen sie sich organisierten und austauschten. Traf man sich, um zusammen einen Server unsicher zu machen, quatschte und philosophierte man mit Voicetools wie zum Beispiel RogerWilco oder später Teamspeak. Auch verabredete man sich in den claneigenen Foren oder über ICQ. Bis auf den Voicechat hat facebook all diese Features und bringt sie an einen Tisch. Selbst Menschen, die nicht wissen, wie man eine eigene Website launcht, bekamen über facebook die Möglichkeit, sich ähnlich mit anderen Menschen zu verbinden wie jene Gamer.
Der Unterschied ist sicherlich, dass facebook allen Menschen und Themen geöffnet ist, während die ESL und die unzähligen Clanwebseiten wie mymtw.de sich um das wettbewerbsmäßige Computerspielen drehten. Eine weitere Parallele zwischen facebook und der ESL (oder auch manchen Clanseiten) sind die Timelines oder Gästebücher: Was heute die Timeline einer Person ist, der man auf facebook folgt, war auf der ESL in den letzten 13 Jahren das Gästebuch und die Profilseite eines Gamers. Wollte man wissen, was gerade in Deutschland und der Welt im elektronischen Sport los war, dann konnte man die News auf ESL.eu lesen oder sich dort Fotos und Videos von den Veranstaltungen ansehen und dort auch die eingestellten Medien kommentieren und teilen.
Natürlich ist die ESL mit ihren 13 Jahren nicht mehr das State-of-the-Art Netzwerk, das es einmal war. Wenn wir in den letzten Jahren Features hinzubekamen, mussten wir „anbauen“, „dranbasteln“oder etwas ganz neu programmieren, immer schon im Hinblick darauf, es so zu entwerfen, dass man es später in eine ganz neue ESL-Plattform integrieren könnte.
Auf dem Social Community Day 2013 klang vielfach an, dass es in 2 bis 5 Jahren etwas Neues geben wird, ja, dass es facebook sogar wahrscheinlich dann nicht mehr geben wird und etwas anders darauf folgt. Facebook wird dann vielleicht auch 10 oder mehr Jahre auf dem Buckel haben und nicht mehr State-of-the-Art sein. Vielleicht wird facebook aber auch überleben, sich weiterentwickeln und uns begeistern, ohne uns mit nerviger Werbung und Datenstibitzelei zu ärgern. Ich kann es nicht sagen, aber ich habe heute erfahren, dass sich die Mehrzahl der Social Media-Experten auf der Veranstaltung eine Social Netzwork-Zukunft in deutlich sozialerem Sinn wünscht und vorstellt. Social Media soll uns verbinden und stark machen. Das Geld für das Studium des Nachbarskindes soll zur Alterssicherung privater Social Banking-Kunden werden. Die finanziellen Mittel für das Pressen einer CD einer Band, die noch keiner kennt, sollen mit Crowdfunding zusammengetragen werden. Wenn eine Stadt oder wenn ein Dorf etwas verändern oder verbessern möchte, dann soll die ganze Gemeinde nicht nur offline, sondern auch online zur Diskussion und Abstimmung eingeladen werden, und Entscheidungen können durch Tools für mehr Barrierefreiheit im Internet sogar noch demokratischer werden.
Schön, dass sich so viele Menschen, die zum Social Community Day angereist sind, sich diese Gedanken machen und das Wort „Social“ in Social Media nicht durch tausendfaches Lesen verschlucken, sondern sich besonders an den sozialen Begriff anlehnen und die gemeinsame Vision teilen, Social Networking noch sozialer, demokratischer, zielgerichteter, benutzerfreundlicher, barrierefreier und kreativer zu machen.
In diesem Sinne: Wenn ihr eine Idee habt zu einer eigenen Webseite oder einer eigenen Community, dann wartet nicht länger, sondern tippt drauf los! Egal aus welchem Sektor, aus welchem Interessenfeld ein soziales Tool kommt, wenn es eine gute Idee ist, dann wird es irgendwann wieder in einem größeren Ganzen (oder in einem kleinen, ganz feinen Netzwerk) auftauchen und Menschenmassen begeistern und zusammenführen. Nur weil die Nutzerzahlen von facebook momentan weiter steigen, heißt es nicht, dass facebook das Ende der Fahnenstange unserer Social Media-Welt ist. Lange war facebook manchen Nutzern zu beschränkt und zu wild zugleich, da kam Twitter um die Ecke und veränderte nochmal alles drastisch. Ich bin hochgespannt, wie die neue ESL Gestalt annimmt und welche Social Netzworks in den nächsten 2 bis 5 Jahren der letzte Schrei sein werden. Nicht nur unter Digital Natives oder Gamern. Übrigens: Meine Oma ist seit 3 Wochen bei facebook.
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