Workshop 1: „Datenjournalismus“
mit Sabrina Ebitsch und Martina Schories / SZ-Datenredaktion
Nach einer kurzen Vorstellung erklärt Martina Schories zuerst, was genau man eigentlich unter dem Begriff Datenjournalismus versteht. „Wenn ich über Datenjournalismus spreche, haben die Leute immer etwas mit Robotern und Algorithmen und so einem Quatsch im Kopf. Aber was wir hier machen, ist Journalismus und diesen auf der Grundlage von Daten.“ Das bedeutet: Zuerst hat man eine These, dann sucht man die entsprechenden Daten, um diese mit Fakten zu untermauern. Als wichtige Elemente der Vorgehensweise definiert Schories Hintergrundrecherche, Datenbeschaffung, Data Mining, Analyse, Storytelling und Visualisierung.
Als Beispiel für eine Datenrecherche zeigt sie das Projekt „Das gespaltene Parlament?“, mit dem die SZ-Redaktion für den Grimme Online Award 2019 in der Kategorie „Information“ nominiert war. Die Journalist*innen haben dafür 1.500 Redebeiträge aus dem Bundestag ausgewertet: Wer lacht für wen? Wer klatscht für wen? Wer ruft dazwischen? „Egal zu was die AFD im Bundestag spricht, sie dreht es auf das Thema Migration. Wir haben auch analysiert, wie schnell sie es schaffen, zu diesem Thema zu wechseln.“ Die Ergebnisse hat die SZ in einer Mischung aus kurzen Texten, Videos und Grafiken dargestellt.
In einem anderen Projekt hat die Datenredaktion Gender-Stereotype bei Kinderbüchern analysiert. Zum Beispiel haben die Datenjournalist*innen die Farben auf den Buchcovern ausgewertet. Möglichst leicht heruntergebrochen erklärt Schories den Teilnehmer*innen, welche Tools und Datensätze man dafür benötigt. „Wie man die anteilige Farbgebung auf Buchcovern berechnet, musste ich auch erstmal googlen“, sagt sie und lacht. Der Trick ist, die richtigen Fragen zu stellen – nur dann können die Datensätze auch die richtigen Antworten liefern. Bei diesem Projekt mussten sie selbst erfahren, wie viele Fehler sich einschleichen können.
Was braucht man also für eigene Datenrecherchen? Zunächst mal Admin-Rechte für den PC, einen Texteditor und eine Menge Geduld. Dann kann man sich durch die einzelnen Teilbereiche des Datenjournalismus arbeiten:
Hintergrundrecherche: Was machen die anderen? Schories empfiehlt, auch anderen Datenexperten zu folgen. Viele gute Beispiele dafür finden sich auf Twitter: @FTdata, @puddingviz oder @postgraphics.
Datenbeschaffung: Über spezielle Plugins im Browser lassen sich Daten von einer Website herunterkopieren. Man kann auch Google Spreadsheets nutzen, um Daten zu „scrapen“, also auszulesen. Ein Programm simuliert dabei einen echten Benutzer und kopiert die erhaltenen Daten in ein Spreadsheet. „Weil ich als Programmiererin einfach grundsätzlich faul bin und alles lieber automatisiere, als es selbst zu machen.“
Data Mining: Wie finde ich aber nun die Muster und Trends in einem Datenhaufen? Dafür benötigt man am PC verschiedene Befehle und Ausdrücke. An einem Beispiel-Datensatz zur Ärzteverteilung in Deutschland führt Schories einige dieser Befehle vor.
Analyse: Zur Analyse visualisiert Schories wandfüllend die Datenlage in ihrem Büro. Auch programmieren zu können ist für die Analyse notwendig. Um grundlegende Programmiersprachen zu lernen, empfiehlt Schories Onlinekurse wie beispielsweise auf datacamp.com.
Storytelling/Visualisierung: Mit „Datawrapper“ erstellt die Datenredaktion der SZ Grafiken und Karten. Wichtig bei der Visualisierung sei es, nicht in typische Fettnäpfchen zu treten, erzählt Schories. Tortendiagramme? Oft komplizierter als andere Varianten. Geografische Abbildungen? Betonen zunächst die Größe eines Landes, erst auf den zweiten Blick geht es um die Daten.
Bei allem gilt: „Daten sind Interpretationssache“, betont Sabrina Ebitsch. Den Trend, Daten als absolut objektiv und damit als Allheilmittel im journalistischen Ringen um Glaubwürdigkeit zu verstehen, sehen die SZ-Mitarbeiter*innen durchaus kritisch. Eine Grafik könne immer nur einen – zugespitzten – Teil der Wirklichkeit abbilden.
Einen wichtigen Teil der Arbeit sieht Schories dann, wenn die Geschichte eigentlich schon fertig ist: Der größte Fehler sei, hinterher nicht zu fragen, wie die Grafik ankommt und wie sie verstanden wird. „Um Fehler zu finden, reicht es oft schon, ein paar Leute aus der Zeitung, die 10-15 Jahre älter sind als wir, zu fragen.“
Von Fabia Rombach und Rabea Gruber