Mit Information gegen Rechts

Veröffentlicht von lw am

Mit viel Engagement ist es möglich, etwas gegen rechte Strömungen zu unternehmen, sei es aus der Gesellschaft heraus oder aus der Politik und Justiz. Notwendig hierfür ist allerdings ein Grundlagenwissen. Zunächst darüber, wie sich Neonazis überhaupt erkennen lassen, wie sie handeln, welche Strategien und Informationspolitik rechte Akteure verfolgen, aber auch wie genau ihre Vernetzung funktioniert. Sich dieses Wissen zu erarbeiten ist anstrengend und unangenehm, aber es gibt Informationsangebote, die für Laien wie Experten Wissen bereitstellen. Eine Auswahl haben wir hier zusammengestellt – und Achtung: Es hat sich auch ein Angebot darunter geschmuggelt, das so gar nicht online ist.

Recherchieren, analysieren und umfassend informieren

„‚NSU-Watch‘ lebt herausragend vor, was lebendige, wache und engagierte zivilgesellschaftliche Organisationen mittels des Internets in der Lage sind zu tun: Missstände beständig festhalten und die Öffentlichkeit transparent darüber informieren.“ So schreibt es die Jury des Grimme Online Award 2020 in ihrer Begründung für den Preis in der Kategorie Information. Seit 2013 hat das Team aus vielen verschiedenen antifaschistischen Organisationen den NSU-Prozess in München begleitet, protokolliert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und auch nach Ende des Prozesses informiert das Portal „NSU-Watch“ weiter über antidemokratische Strömungen, Untersuchungsausschüsse und weitere Prozesse – wie derzeit den um den Mord an Walter Lübcke. Und wer gerade keine Zeit hat, die ausführlichen Beiträge zu lesen oder Podcasts zu hören, sollte unbedingt dem Twitter-Account folgen, der immer über aktuelle Ereignisse informiert. Am 4. November wird Caro Keller von „NSU-Watch“ beim Social Community Day sein und unter anderem erzählen, warum es sich lohnt, so lange an einer Sache dranzubleiben. Noch nicht so lange wie „NSU-Watch“ gibt es „EXIF – Recherche & Analyse“. Seit 2017 beschäftigt sich die Rechercheplattform in langen Beiträgen und Kurznachrichten mit der neonazistischen und rechten Szene. Dabei decken die anonymen Betreiber immer wieder Fakten auf, die auch eine Grundlage für die Berichterstattung in anderen Medien bilden.

Caro Keller
Porträt Caro Keller

Caro Keller ist seit 2016 Redakteurin des bundesweiten antifaschistischen Bündnis NSU-Watch. Dies ist ein bundesweites Bündnis aus antifaschistischen
Einzelpersonen, Archiven und Gruppen, das den Prozess gegen die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund begleitet und Protokolle der Prozesstage online gestellt hat. Doch “NSU-Watch” sieht im Ende des NSU-Prozesses kein Ende von rechtem Terror. Sie erstellen weiterhin Analysen, informieren in einem eigenen Podcast, berichten über Untersuchungsausschüsse und andere Prozesse oder über die rechte Szene insgesamt.

Über Kleidung, Musik und Strategien

Wie erkennt man einen Neonazi? Wenn jemand mit Glatze und Springerstiefeln eine Hakenkreuzfahne schwenkt, ist die Sachlage klar. Aber es gibt noch viele andere Anhaltspunkte, Musik oder Kleidungsmarken zum Beispiel. Das interaktive Tool „Kein Raum für Rechts“ nimmt die Nutzer*innen virtuell mit in das Zimmer eines Jugendlichen aus der rechten Szene. Dort gibt es eine kommentierte Musiksammlung, Erklärungen zum Kleiderschrank und vielen anderen Devotionalien. Videos zum Thema ergänzen das Angebot, das auch spielerische Interaktionsmöglichkeiten bietet. Die Inhalte des Neonazi-Zimmers basieren auf einer Recherche der Journalistin Andrea Röpke, die mit einem kleinen Team unter anderem Informationen aus polizeilichen Hausdurchsuchungen bei Neonazis zusammengetragen hat. Tief in die Strategien von extremistischen Gruppen Anhänger*innen zu gewinnen, taucht „Modus extrem“ ein: Warum setzen Neonazis sich für artgerechte Haltung und Klimaschutz ein? Wie radikalisiert besonders Rap junge Erwachsene? Und was ist eigentlich eine Gamifikation von Terroranschlägen? Fragen wie diese bespricht der Podcast vom Zentrum für angewandte Deradikalisierungsforschung. In knapp 20 Minuten und im Gespräch mit Expert*innen aus der Radikalisierungsprävention und -forschung behandelt die Moderatorin Julia Strasser jeweils eine aktuelle Entwicklung des Extremismus. So werden in den bislang sieben losen Folgen die tief verankerten Formen von Extremismus in Deutschland untersucht, wie auch die digitalen Wege, auf denen sie heute bevorzugt verbreitet werden.

Gegen Verschwörungsmythen und Fake News

Der digitale Raum ist auch ein gerne genutztes Mittel für die Verbreitung von Lügen, Verschwörungsmythen und bewusst gesetzten Falschnachrichten. Diese widerlegt seit Jahren beständig der „Volksverpetzer“. Thomas Laschyk macht sein Blog plakativ auf, nutzt auch reißerische Überschriften, um möglichst viel Aufmerksamkeit im Netz zu erhalten – damit die Widerlegung wenigstens annähernd so viele Rezipient*innen erreicht wie die falsche Originalmeldung. „Ich versuche die Fakten so aufzubereiten, dass sie eine größere Aufmerksamkeit bekommen“, berichtete Thomas Laschyk beim Social Community Day 2019 zum Thema „Wahrheit ohne Alternative“. Dabei frage er sich immer: „Wie können wir die gleichen aufmerksamkeitsheischenden Methoden anwenden, nur ohne Lügen?“ Damit ist Laschyk sehr erfolgreich, der „Volksverpetzer“ zu einer Institution bei Fake-News mit politischem Hintergrund geworden, der es gelingt, bei Zweifeln an einer verdächtigen Meldung Klarheit zu schaffen. „Ich habe früh festgestellt, es gibt Menschen die kann man so nicht erreichen“, schränkte Laschyk 2019 allerdings ein, „obwohl ich gleichzeitig empfehle, diese Menschen nicht verloren zu geben, aber das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die kann ich nicht lösen.“ Auf eine ganz eigene, sehr humorvolle Art geht auch „Der goldene Aluhut“ Verschwörungsmythen an: Betreiberin Giulia Silberberger veröffentlicht auf Facebook wirre Postings und kommentiert diese satirisch. Dabei geht es vornehmlich um „Schwurbler“ aus der esoterischen Ecke, was sich aber immer mehr auch mit politischen Inhalten vermischt. Beim Preis „Der goldene Aluhut“, der dieses Jahr am 30. Oktober verliehen wird, gibt es die Kategorie Politik. Nominiert war hier auch die „Querdenken“-Bewegung, die allerdings disqualifiziert werden musste, weil sie das Voting manipuliert haben, um diesen Negativpreis unbedingt zu gewinnen. Dass es durchaus Strategie sein kann, jede Aufmerksamkeit – auch die negative – für sich zu nutzen, legt Karolin Schwarz in ihrem Buch „Hasskrieger“ dar. Die Journalistin ist Expertin für Fact-Checking und rechtsextreme Strategien im Netz. Im Jahr 2016 war sie für die „Hoaxmap“ für den Grimme Online Award nominiert und ist seit 2019 in der Nominierungskommission. Mit dem im Februar 2020 erschienenen Buch zeigt sie auf, wie sich Rechtsradikale online miteinander vernetzen, dass es nicht mehr unbedingt straff organisierte Gruppen sind, sondern lose Vereinigungen, die sich untereinander austauschen und so umso schwerer greifbar werden. Sie nutzen Mittel wie Strategiepapiere, Guerilla-Marketing und Hasskampagnen und sind auch international unterwegs. Was zunächst undurchdringbar erscheint, wird in „Hasskrieger – Der neue globale Rechtsextremismus“ leicht verständlich dargelegt. Gleichzeitig wird deutlich: Es ist möglich, etwas zu unternehmen, ob privat im Kleinen oder seitens der Politik oder der Justiz. Es ist nur notwendig, sich damit zu beschäftigen und die Hintergründe zu verstehen.

Welche Informationsangebote gibt es noch zum Thema Rechtspopulismus und Rechtsextremismus? Hinweise nehmen wir gerne per Mail, bei Facebook, Instagram oder Twitter entgegen.


von Vera Lisakowski